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  1. Tagestouren/

Herzsteinweg

·767 Wörter
Waldviertel Hügel Wald Steine
Lambert Widdersinn
Autor
Lambert Widdersinn
Das Wandern ist des Widders Sinn
Inhaltsverzeichnis
Details

Im Yspertal gibt es noch einen kurzen Rundwanderweg, dem ich bisher noch keine Beachtung geschenkt habe: der Herzsteinweg. Die Wanderung ist benannt nach dem Herzstein, ein riesiger, herzförmiger Wackelstein. Den Weg gibt es in zwei Varianten mit ähnlicher Distanz. Entweder startet man etwas südlicher in St. Oswald oder etwas östlicher in Ysper. Ich entschied mich für die Variante über Ysper, da sie etwas schneller mit dem Auto zu erreichen ist.

Ysper
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Ausgehend von der Kirche am Marktplatz führt der Weg zunächst auf der Straße in Richtung St.Oswald beim Ortsende in den Wald. Diesen verlässt man dann so schnell auch nicht wieder, abgesehen von ein paar Stellen entlang des Waldrandes. Der weiche Waldboden dämpft meine Schritte. Erst in der Nacht hat es geregnet, aber dafür ist es schon recht trocken. Die Forststraße entwässert schnell. Nie muss ich über große Lacken springen.

Sind die Pilze am Wegesrand essbar oder giftig? Ganz schön zahlreich sind sie. Da ich aber kein großer Pilzsammler und -kenner bin, mach ich lieber einen großen Bogen um sie und lass sie stehen. Anders bei den Beeren, da kenn ich mich ein bisschen aus. Roter Holunder gedeiht hier prächtig und trägt gerade Früchte. Die Vögel zwitschern eifrig. Ein idyllischer Waldspaziergang.

Steineres Kornmandl
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Beim Gehöft Piritsteiner verlasse ich kurz den Wald. Huch. Auf dem Feld liegt ein kolossaler, pyramidenförmiger Stein. Es ist die erste ungewöhnliche Steinstruktur, die ich auf dieser Wanderung sehe. Im Volksmund heißt sie Steineres Kornmandl.

Früher, als die Getreideernte noch händisch erfolgte, wurden nach dem Schnitt die Getreidehalme zu kleinen Haufen, den sogenannten Kornmandl oder Getreidegarben, zusammengebunden, wo sie weiter trocknen konnten und erst später mittels Leiterwagen aufgesammelt wurden. Mit ein bisschen Fantasie erinnert mich der Stein doch tatsächlich an ein Kornmandl. Auch eine Sage rankt sich um die Entstehung des Steines.

Steinernes Kornmandl im Acker.

Einst soll das Feld einem besonders grimmigen Bauern gehört haben. Als es Zeit für die Ernte war, schickte er seine Mägde und Knechte raus aufs Feld, das Getreide zu schneiden. Zu seiner Überraschung kam sein Gesinde alsbald zurück. Erbost schimpfte er sie, aber sie beteuerten, dass sie ihre Arbeit getan hätten, doch die Ernte wäre karg gewesen, weshalb sie schnell fertig waren. Ungläubig fuhr der Bauer nun selbst zu dem Feld, um sich ein Bild zu machen und die Lügen des faulen Gesindes zu entlarven.

Doch als er ankam, erkannte er, dass sein Gesinde die Wahrheit gesprochen hatte. Das ganze Feld war gemäht und nur einziges Kornmandl stand am Feld. Daraufhin fluchte der Bauer zornig, verfluchte sogar Gott für die schlechte Ernte. Plötzlich lautes Krachen, ein grässliches Donnern hallte durch das Tal und das Kornmandl war auf einmal versteinert.

Laut der daneben stehenden Hinweistafel gab es noch zwei weitere Steine in der Nähe des Kornmandls. Das Ensemble wurde als sogenannte Kalendersteine genutzt, um über den Sonnenstand Winter- und Sommersonnenwenden zu berechnen.

Totenkopf und Drachenstein
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Nicht weit entfernt vom Kornmandl befindet sich der nächste Höhepunkt der Wanderung. Ich gehe im Wald eine kurze Rampe hoch und schon bald gelange ich zu einer riesigen, gespenstischen Steinformation: der Totenkopfstein. Ein Steinvorsprung weckt Erinnerungen an einen Totenkopf. Zwei Einbuchtungen symbolisieren die Augenhöhlen. Dahinter befindet sich eine kleinere Steinstruktur mit dem Namen Drachenstein. Sie soll der Schwanz eines versteinerten Drachen sein.

Totenkopf- und Drachenstein.

Laut Forschern weist der Totenkopf menschliche Bearbeitungen auf. Eine Opferschale und ein viereckiger Sitz, beides aus dem Stein gehauen, befinden sich oben auf der Kuppel. Noch ein paar hundert Meter weiter befindet sich das Gipfelkreuz des Weißenberges. Allerdings gehe ich wieder den Weg zum Kornmandl hinunter, ohne das Gipfelkreuz zu besuchen. Vom Kornmandl folge ich kurz dem Weg am Waldrand entlang und dann über eine Lichtung, von wo ich eine gute Aussicht bis weit in die Alpen habe.

Blick nach St. Oswald und Voralpen.

Herzstein
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Jetzt geht es wieder tiefer in den Wald und nach einem kurzen Anstieg komme ich zum Herzstein, dem Namensgeber und Höchstpunkt dieser Runde. Wiederum ist es eine große Steinstruktur. Der Herzstein ähnelt dem Symbol eines Herzens ❤️. Nur steht es am Kopf und balanciert auf einem Stein. In die dadurch gebildete Mulde, die von Menschenhand vergrößert wurde, kann man durchkriechen und dabei Krankheiten und Gebrechlichkeit abstreifen, so der Aberglaube.

Herzstein.

Ich mache stattdessen lieber eine kurze Pause auf der daneben platzierten, herzförmigen Bank. Eine solche habe ich jetzt schon mehrmals im südlichen Waldviertel gesehen. Ich vertilge meine mitgebrachte Mannerschnitte und trinke ein paar Schluck Wasser, bevor ich mich wieder in Bewegung setze.

Die großen Schwierigkeiten der Wanderung sind nun auch vorbei. Es geht nur mehr bergab, zurück nach Ysper. Eines muss ich noch anmerken: Die Beschilderung des Weges ist ausgezeichnet. Alle Schilder sind gut ersichtlich. Eine kurze, nette Wanderung für einen Morgen oder Nachmittag.

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