Zum Hauptinhalt springen
  1. Tagestour/

Sternstein – Via Leone

· Lesezeit 7 min
Mühlviertel Wald Schnee Steine
Lambert Widdersinn
Autor
Lambert Widdersinn
Das Wandern ist des Widders Sinn
Inhaltsverzeichnis
Details
Karte

Ein romantischer Turm sticht hervor aus dem kühlen Nebel. Vereist sind seine Stufen, verschneit seine steinernen Turmmauern. Frau Holle könnte hier oben im Turm wohnen. Seit Tagen lässt sie Goldmarie ihre warmen Daunendecken schütteln und schütteln. Als Schneeflocken fallen die entflohenen Daunen dann sanft herab, bedecken das Land unter einer weißen Decke.

Am Morgen des letzten Tages meines Ausflugs in Bad Leonfelden hat sich das Wetter etwas gebessert. Der Wind ist abgeflaut, aber nach wie vor dominiert der Nebel die Landschaft, besonders die umliegenden Hügel scheinen im Nebel wie verschwunden zu sein. Trotzdem will ich noch unbedingt rauf auf den Sternstein, auch wenn keine großartige Aussicht zu erwarten ist. Den Sternstein kann ich mir doch nicht entgehen lassen.

Bad Leonfelden
#

Ich beginne meine Runde mit einem Besuch der Altstadt von Bad Leonfelden. Keine besonders gute Idee im Nachhinein. Gestern Nachmittag hat es schon leicht getaut und die schneefreien Straßen und Gehwege in Bad Leonfelden haben ordentlich angezogen. Der graue Himmel spiegelt sich schwummrig auf der dünnen Eisschicht. Vorsicht. Langsam. Laufen ist zu gefährlich.

Lebkuchen
#

Ungetrübt dessen, nehmen zahlreiche Naschkatzen ihren Morgenkaffee beim Café Kastner ein. Kein blankes, rutschiges Eis müssen sie hier fürchten, sondern höchstens die Kalorien der süßen Eiscremebecher und die leckeren Lebkuchen. Der Lebzelter Kastner blickt auf eine lange Historie zurück und ist eng mit dem Ort verbunden.

Schon seit 1559 werden Lebkuchen, Met und Kerzen in Bad Leonfelden hergestellt. Die fleißigen Bienen der Region liefern die bedeutenden Naturrohstoffe, Honig und Wachs, für die Produktion. Der Absatz florierte neben der bedeutenden Salzhandelsstraße, die durch Bad Leonfelden verläuft. Einen Einblick in die moderne Keks- und Lebkuchenproduktion kann man bei einer Führung durch das Lebzeltarium erhaschen.

Marktplatz und Schule
#

Der große Marktplatz von Bad Leonfelden ist typisch für die Region. Rathaus und etliche niedrige, zweigeschossige Häuser bilden Reih an Reih einen Ring um den länglichen, rechteckigen Platz. Die einstige Marktmauer ist leider nur mehr spärlich erhalten.

Am anderen Ende des Marktplatzes, etwas abseits, steht die Kirche. Angrenzend daran befindet sich die alte Pfarrschule. Sie ist das älteste noch erhaltene Schulgebäude in Oberösterreich. Ab 1577 wurde in ihren Räumen Kindern und Jugendlichen das Lesen und Schreiben beigebracht, damals jedoch nur für die Sprösse der Leonfeldener Bürgerschaft zur Vorbereitung einer zukünftigen Priesterschaft. Mädchen war es hingegen nicht erlaubt, sich zu bilden. Heutzutage beheimatet das Gebäude ein Museum über das vergangene, lokale Schulwesen.

Schulmuseum Bad Leonfelden, dahinter die Kirche von Bad Leonfelden.

Sternstein
#

Aufpassen! Beinahe ausgerutscht. Leicht abschüssig geht es zunächst hinaus aus der historischen Stadt. Danach folgt schon der längere Anstieg zum Sternstein. Vorerst marschiere ich noch durch die Häusersiedlungen von Bad Leonfelden, die sich am Hang breit gemacht haben. Die freigeräumte Straße ist eisig, aber das ändert sich als ich die Siedlung verlasse und auf den ersten Feldweg stoße. Der Schnee gibt mir Grip. Ein Ausrutschen muss ich nicht mehr fürchten. Viele Fußspuren geben die Richtung vor. Ein beliebter Weg, der so zutreffend Lug ins Land genannt wird. Schließlich bietet er eine weitreichende Aussicht auf das umliegende Land und Bad Leonfelden.

Aussicht auf das schneereiche Bad Leonfelden von Lug ins Land.

Sternwald
#

Ich verlasse nun die offene Ebene und begebe mich in den dichten Wald. Wahrlich traumhaft. Der Schnee ist flockig weich und trocken nur knapp 100 m über Bad Leonfelden. Hier hat es nicht getaut. Jeder Schritt ein köstliches Knirschen. Die Äste der Fichten und Tannen sind reichlich bedeckt mit dem weißen Zucker.

Den Weg zu finden fällt mir glücklicherweise nicht schwer. Jemand war schon vor mir da. Das verraten die Fußspuren. Der Yeti war es glücklicherweise nicht, dafür sind sie nicht groß genug. Ich folge ihnen, zunächst auf breiten Forststraßen und später auch auf engen Trampelpfaden, die sich durch den Wald schlängeln. Jeder Höhenmeter bringt ein paar Millimeter mehr an Schneedecke. Die Äste müssen beträchtlich Schneelast tragen. Der Schnee biegt sie gen Boden. Manchmal streife ich unbewusst an ihnen. Dann erlöse ich sie von ihrer Last und sie springen erfreut auf.

Bald erreiche den Berggasthof Waldschenke. So weit entfernt von der Zivilisation bin ich dann doch nicht. Der Gasthof ist das ganze Jahr geöffnet und tischt regionale und saisonale Spezialitäten auf.

Berggasthof Waldschenke im Schnee.

Aussichtswarte Sternstein
#

Nach der Schenke entdecke ich die Spuren einer seltenen Spezies, die nur im Winter erwacht, die berühmte Pistenraupe. Ihre breiten Schneespuren vereinfachen mein Vorankommen erheblich. Schnell komme ich voran auf dem zusammengepressten Schnee.

Auf den Sternstein befindet sich auch ein kleines Skigebiet. Die Vorbereitungen für den Saisonbeginn laufen auf Hochtouren. Die Schneeraupen wurden aus ihrem Sommerschlaf gerissen und düsen die Piste auf und ab. Ihr Motorengeräusch durchbricht die ansonsten vorherrschende Stille. Doch ich verlasse ihre Spuren bald und bewege mich wieder auf enge, tief verschneite Waldwege.

Ich trete aus dem Schutze des Waldes. Erst jetzt wird mir bewusst, wie windig es doch heute ist. Die Bäume haben den eisigen Wind von mir ferngehalten. Doch hier auf dieser beinahe kahlgeschlagenen Ebene vor dem Gipfel umzieht seine Kälte mein Gesicht. Den Schnee türmt und presst er gegen alles, was sich gegen ihn stemmt. Würde ich hier länger bleiben, wäre ich bald in einen Schneemann verwandelt. Die paar Tannen sind schon vollständig eingehüllt in Schnee. Kein Nadelgrün blitzt mehr hervor. Auch der dichte Nebel trägt zur Unwirklichkeit der Landschaft bei. Alles weiß. Himmel und Erde.

Schneelandschaft im Nebel am Sternstein.

Ich kämpfte mich durch den Schnee ins nächste Waldstück. Der Gipfel ist nicht mehr weit. Nur mehr ein paar Schritte bergauf. Und da. Plötzlich. Ein großer Turm, wie aus einem Märchen. Ich bin am Gipfel.

Rapunzel könnte hier oben wohnen und ihr Haar hinunter lassen, damit man hinaufklettern kann. Doch im Winter bleibt der Turm versperrt. Zu gefährlich ist der Aufstieg über eisige Holzstufen im Inneren des Turmes. Ich vertröste mich, dass es heute bei dem Nebel sowieso keine Panoramaaussicht geben würde. An guten Tagen im Sommer reicht die Sicht allerdings bis tief in die Alpen und nach Böhmen.

Sternsteinwarte im Winter im Schnee.

Die Sternsteinwarte, so der Name, wurde anlässlich des 50-jährigen Regierungsjubliläums Kaiser Franz Josef I. 1898 erbaut und ein Jahr später 1899 mit einer prächtigen Feier eröffnet. Die Ästhetik des mit dicken Granitblöcken gestaltete Turm lässt sich der Burgenromatik des 19. Jahrhunderts zuordnden. Erinnerungen an zahlreiche Märchentürme werden wach. Aufgrund seiner Exponiertheit wurde der Turm bereits für längere Zeiträume in seiner Geschichte geschlossen bis ihn wieder eine Sanierung sicher begehbar machte. Auch bei meiner Ankunft kämpft er gegen die winterlichen Widrigkeiten.

Pilzstein
#

Nach einer kurzen Pause geht es wieder hinab durch den Schnee. Welch eine Freude. Ich hüpfe und gleite durch den weichen Schnee. Wie eine Schneekugel fühle ich mich, die durch den Wald den Hang hinab rollt. Immer größer werde ich. Der Pulverschnee spritzt links und rechts von mir in die Luft. Weich versinkt jeder meiner Schritte im Schnee.

Ich laufe und laufe. Beinahe wäre mir die Abzweigung zum Pilzstein im Schneegetümmel entgangen – ein kurzer Abstecher, der es aber auf jeden Fall wert ist. Etliche mächtige Steine ragen aus dem Waldboden, darunter auch einer der aussieht wie ein riesiger Steinpilz. Vereist sind seine Flanken und Eiszapfen hängen herab von der Felskante.

Pilzstein mit Schnee bedeckt im Wald

Salzstraße
#

Bald komme ich aus dem Wald. Der Wind fegt hier über die Ebene. Jetzt muss ich aber mehr aufpassen. Ich verlasse die Schotterwege und begebe mich auf eisige Asphaltstraßen. Kein guter Tausch.

Nanu, hier sollte doch ein Weg sein. Verdutzt wechsle ich zwischen meinen Karten auf der Uhr und dem Handy. Ja eindeutig, hier sollte ein Feldweg verlaufen. Der Wind hat den Schnee über den Feldweg gestülpt und der bildet nun mit der Wiese eine glatte, gleichmäßige Fläche. Ich vertraue meiner Karte und stapfe durch den tiefen Schnee.

Jetzt bemerke ich auch ein paar schwache Fußspuren. Hier ist somit ein Weg und nicht nur Wiese. Der Wind wird schwächer, die Fußspuren tiefer. Jetzt ist der Weg schon richtig gut zu erkennen. Am Ende des Weges treffe ich auf ein Paar Wanderer. Die können sich auf meine frischen Spuren freuen, ohne den Weg suchen zu müssen.

Abschließend führt mich die Runde auf die historische Salzstraße, die ich schon vor zwei Tagen bei meiner Runde nach Tschechien gelaufen bin. Der Schnee ist leider nicht mehr so locker, sondern nass und schwer – sehr zum Leid meiner Schuhe. Trotzdem setze ich nach der Großen Rodl nochmals zum Sprint den Hügel hinauf an. Geschafft! Eine tolle Wintertour durch den Sternwald.

Verwandte Artikel

Miesenwald
· Lesezeit 5 min
Mühlviertel Wald Schnee Hügel
Predigtstuhlweg
· Lesezeit 4 min
Strudengau Hügel Wald Steine Fluss
Herzsteinweg
· Lesezeit 4 min
Waldviertel Hügel Wald Steine
Trinkgeld